Zum Abschluss der Goldenen Nationalfeiertage stand das Quoten-Kulturerlebnis für diesen Monat auf dem Programm. Unser Ziel befindet sich circa 100 Kilometer westlich von Shanghai - Suzhou, "Venedig des Ostens", ehemalige Seidenhauptstadt und nebenbei Metropole mit mehr Einwohnern als Berlin.
Kultur bedeutet auch immer, früh aufzustehen - Treffpunkt war 6.30 Uhr, um 7.55 Uhr ging es vom Hauptbahnhof Shanghai los. Bahnfahren in China ähnelt eher einem Langstreckenflug. Im Bahnhofsgebäude wird zunächst das Gepäck durchleuchtet, dann muss man ähnlich wie im Flughafen sein Gate suchen, um dort einzuchecken.
In Suzhou angekommen, wichen wir schnell von unserem eigentlich Plan ab. Das vom "Lonely Planet" empfohlene Radfahren erwies sich als zu heikel, die Luxusvariante lautete gefahren werden. Wäre auch eine schöne und preiswerte Sache gewesen, wenn die örtliche Rikscha-Mafia nicht versucht hätte, es ihrem großen Brüdern in Neapel und Sizilien gleich zu tun. Die ersten beiden Fahrer fuhren uns natürlich nicht dahin, wo wir eigentlich hin wollten, sondern zu dem Garten, bei dem sie offensichtlich die meiste Provision verdienten. Trotzdem keine schlechte Wahl, für 48 Yuan Eintritt konnten wir einen Teil der alten Stadtmauer, eine schöne Pagode und weitere typische Elemente eines chinesischen Gartens bestaunen.
Im Teich tummelten sich Millionen von Koi-Karpfen - in Deutschland wohl ein Vermögen wert.
Pittoreske Gartenlandschaft Teil eins...
... und Teil zwei.
Als wir nach zwei Stunden wieder aus dem "Pan Men" herauskamen, waren unsere Fahrer natürlich verschwunden. Halb so schlimm, zumal wir - abgehärtet durch fünf Wochen in China - natürlich vereinbart hatten, am Ende zu zahlen.
Geprägt durch diese Erfahrung mieteten wir die nächsten beiden Fahrgelegenheiten direkt für sechs Stunden. Nach harten Verhandlungen einigten wir uns auf 140 Yuan für alle vier Passagiere zusammen...
Hier schön zu erkennen: Die lustige Ellipse der beiden Hinterräder und den formvollendeten Vintage-Rost-Look des Heckspoilers.
Was kam, war eigentlich klar: Die beiden fuhren uns auf ihren bedingt verkehrtauglichen Vehikeln gegen unseren Willen zu einer touristen-überschmwemmten Seidenfabrik. Die war zwar entgegen unseren ersten Befürchtungen ganz interessant, allerdings wurden unsere beiden neuen Freunde etwas schlechtgelaunt, nachdem wir keine tollen Souvenirs kaufen wollten und weigerten sich, uns weiter zu fahren. Was folgte, war eine ellenlange Diskussion und einem plötzlichen Meinungsumschwung: Sie würden uns jetzt doch weiter fahren... Um nicht am nächsten Morgen als Fleischbeilage in der Garküche zu landen, haben wir uns dann lieber aus dem Deal herausgekauft. Für 90 Minuten 70 Yuan, also natürlich doch 35 für jeden und nicht für beide zusammen. Das war der Moment, an dem wir beschlossen, von nun an doch mit dem Taxi weiter zu fahren...
Die china-übliche Dosis an Tempel-Besichtigung erfüllte der Xuanmiao Guan in der Innenstadt, interessant war auch der Markt rund um den Tempel mit der größten Menge Kitsch, die ich je auf einem Haufen gesehen habe. Das Highlight waren Mao-Uhren, auf denen der große Führer fröhlich mit dem Arm winkt. Meine ging kaputt, als ich sie das erste Mal anziehen wollte...
Stilleben am Rande des Tempels.
Nachdem abends entgegen unseren Erwartungen kein aufgebrachter Rikschafahrermob mit Fackeln und Mistgabeln auf uns wartete, erreichten wir um 23 Uhr wieder Good Ol' Shanghai - um direkt auf Nadjas Geburstagsfeier zu landen. Schöne Erfahrung, mal 24 Stunden am Stück wach gewesen zu sein...